Donnerstag, 10. Dezember 2009

Namaskara makkalu mate attitigalu!

"Guten Abend liebe Kinder und Gaeste!"

So fing unsere kleine, aber feine Rede waehrend eines Kinder- Festivals letztes Wochenende in unserem Hostel an.
Am 28. und 29. hat unsere Organisation ein Wochenende nur fuer die Kinder organisiert, an dem sie spielen, malen, Wettkaempfe antreten, singen und tanzen konnten. Es kamen Kinder aus Organisationen in Bangalor und Umgebung, aus PRACHODANA in Hassan und natuerlich all die Kinder aus den restlichen 3 Hostels VIKASANA's, Badravathi, Bhoothanahalli und Tarikere nach Chattanahalli. Wir haben uns sehr gefreut die Kinder wieder zu sehen, die ihre Ferien im Oktober hier verbracht hatten und mit denen wir schon Einiges erlebt hatten.
Nicht nur die Lehrerinnen, auch wir hatten mit den Jungs einen Tanz einstudiert. Zu einem Song, der uns sehr angesprochen hat und ausgesprochen gut zu unseren huebschen kleinen Jungs gepasst hat: "everybody" von den Backstreet Boys!! Schon waehrend den Proben in der Woche vor dem Festival waren wir erstaunt wie gut es auch die ganz Kleinen, im Alter von sechs bis neun Jahren( das ist hier vielleicht wie in Deutschland von 5 bis 7) hinbekamen, die Schritte nachzuahmen und zu koordinieren. Der Tanz wurde ein voller Erfolg wir sind wirklich sehr stolz auf die Kinder und auch ein bisschen auf uns ;)

Zurueck zu dem wunderschoenen Titel dieses Posts: An besagtem Festival hatten wir die Ehre, eine Rede darueber zu halten, weshalb wir hier sind und was wir hier so machen. Denn es waren am Sonntagabend alle Direktoren der eingeladenen Organisationen, ein Polizeiinspektor und der Polizeipraesident unseres Districts anwesend und haben jeweils ein paar Worte gesprochen. Da ihr euch vielleicht erinnern koennt, was es am Anfang fuer ein Problem mit der Polizei bezueglich unserer Registrierung gab, wollte unser Direktor sich mit ihr etwas besser stellen und hat sie eingeladen. Waehrend wir dann nichtsahnend zusammen mit den Kindern auf dem Hof sassen und den Reden (auf Kannada natuerlich, der eine oder andere war so nett, ein paar Zeilen fuer uns zu uebersetzen) gelauscht haben, kam unser Direktor auf die glorreiche Idee, dass wir doch erinfach mal erklaeren koennten was wir bis jetzt so gelernt und gemacht haben in Indien. Es war zwar eine spontane Sache (wann ist es das hier nicht?) aber im Endeffekt haben wir sie recht gut gemeistert, wie wir finden.

Waehrend wir am Samstag eher Zuschauer waren, da sich die Staff- Mitglieder das ganze Programm ausgedacht hatten und das alles recht gut ohne Hilfe ueber die Buehne gebracht haben, durften wir am Sonntag den Lehrerinnen dabei helfen die Kinder fuer ihre Taenze fertig zu machen, die sie am Nachmittag und Abend auffuehren wollten.
Es war sehr entspannend fuer uns mal nur zuzuschauen, zu sehen wie toll die drei Mitarbeiter VIKASANA's mit den Kindern umgehen, wie viel Spass sie selbst auch bei der Sahcen haben, aber gleichzeitig ist es uns wieder mal schwergefallen ruhig sitzen zu bleiben, ueberhaupt nichts zu helfen. Wir haben un
s rein um die Kinder gekuemmert, mit ihnen gespielt und gespasst und zwischendurch Essen ausgeteilt wie am Fliessband( wahrscheinlich sind unsere Arme um einige Milimeter gewachsen durchs ganze Topf tragen und Sambar austeilen...). Nicht nur die Lehrerinnen, auch wir hatten mit den Jungs einen Tanz einstudiert.


Am Tag darauf waren wir richtig froh wieder mehr gebracuth zu werden, uns ist einmal mehr klar geworden, wie eingespielt wir schon mit den Lehrern, Kinder und Koechinnen sind und wir haben es genossen, die Uniformen fuer die Kinder herauszusuchen, sie ihnen festzustecken, ihre Haare zu machen, sie zu schminken und fuer die Taenze zurechtzumachen. Wahrend dieses Sonntags sind dann ganz ueberraschend( obwohl wir so etwas geahnt hatten), na, wer wohl? Klar, Djamila und Milena gekommen! Die Kinder aus PRACHODANA waren ja mit ihrer Lehrerin schon am Tag zuvor angekommen und da die Beiden nicht dabei waren, hatten wir die Hoffnung sie an diesem Wochenende zu sehen fast aufgegeben. Es war ein grosses Wiedersehen, obwohl wir uns ja kaum zwei Wochen vorher getroffen hatten.

Das "Cultural Event for Bridge School Children 2009" war ein tolles Erlebnis und unser Verhaeltnis zu unseren Kindern ist dadurch noch besser geworden. Wir haben dieses Wochenende total genossen, gerade auch den Tag mit Milena und Djamila. Wir sind schon ein Dreamteam, wir gleichen uns unglaublich gut aus, wie wir mehr als einmal feststellen mussten.
Der Abschied fiel schwer, auch von den Kindern aus Badhravathi und Bhoothanahalli, die wir ja sonst nicht sehen. Doch da wir wussten, wir sehen uns alle bald wieder, war es halb so schlimm. Die Hassan- Maedels am 17., dem Mitderm- Workshop des Bridge Builder Programms in Mangalore und die Bhoothanahalli Kinder zwei Tage spaeter, am 1. Dezember.
An diesem Tag sind wir naemlich das Hostel besuchen gegangen, um zu sehen wie die restlichen Kinder unserer Organisation untergebracht sind und leben.


So sind wir also mit zwei grossen Rucksaecken (da uns empfohlen wurde Bettzeug mitzunehmen, was wirklich eine gute Idee war!) aufgebrochen auf unsere dreitaegige Reise ins ferne Bhoothanahalli. Drei Stunden sind wir Bus gefahren, eingeengt zwischen ruecksichtslosen und draengelnden, aber auch hilfsbereiten Indern, ohne eigentlichen Platz fuer die Rucksaecke. Der Bus hielt schon ein paar Doerfer vor unserem Zielort. Von dort aus legten wir den Rest des Weges auf der Ladeflaeche eines kleinen Autos( Auto heisst hier in Indien entweder Autorickshaw oder eben ein 3- raedriges Etwas mit Ladeflaeche hinten dran...) zurueck. Wir fuhren durch wunderschoene Felder und Palmenalleen, an einem grossen glitzernden See entlang, ueberholten die Ochsenkarren und die am Strassenrand in eben diesem See waschenden Frauen, als es ploetzlich "PENG!" machte und das Auto an die Seite fuhr um den Reifen zu wechseln... Zu erst hielten die restlichen Fahrgaeste und auch der Fahrer selbst fuer am Besten, dass wir sitzenbleiben, es geht doch auch so, aber im Endeffekt hat man eingesehen, dass es fuer alle das Beste ist, wenn wir auch aussteigen und sie das Auto dann nochmal anheben. Der neue Reifen war, zu unserer Ueberraschung, schnell wieder dran und es ging weiter als waere nichts passiert. War ja auch nichts grossartiges... Da war unser platter Reifen auf einer Busfahrt oder das ueberfahrene Schaf auf einer anderen Busfahrt doch spektakulaerer.



Das Auto fuhr am ersten Dorf vorbei, am zweiten, das dritte war schon zu sehen, als uns ein kleines weisses Haus auf der Spitze eines der zahlreichen Huegel auffiel. Kaum hatten wir es entdeckt und uns gewundert wer denn dort ein Haus hat bauen lassen und vielleicht sogar dort wohnt, hielt das Auto an und wir stiegen aus. Richtig, es war das Hostel! Dies wurde uns umso bewusster, als wir die Kinder oben winken und rufen sahen. Sie hatten uns schon erwartet.


In den drei Tagen, die wir in dieser Bridge School verbracht haben, mussten wir unsere Lebensstandards etwas herunterschrauben. Sie ist ziemlich 'basic': Keine Elektrizitaet, kein fliessend Wasser, kein richtiges Bad, nur ein Schlafsaal, eine Mini- kleine Kueche und fuer 18 Jungs und 2 Maedchen nur eine Lehrerin.
Das mit der Elektrizitaet ist gar nicht so schlimm, denn es gibt Solarenergie, mit der der Gasherd, ein Fernseher( sehr klein, schwarz- weiss- Bild und nur einen Sender empfangend, aber hey! Irgendwie etwas befremdlich an so einem Ort einen Fernseher zu haben...) und Solarlampen, in deren schwachen Licht die Kinder abends ihre Hausaufgaben machen,
betrieben werden.
Da ist die Sache mit dem Wasser schon etwas muehseliger: Die Jungs laufen jeden Morgen und Nachmittag mehrere Male hinunter ins Tal, wo eine Pumpe steht, aus der sie das Wasser hochpumpen, um es dann in Eimern, die sie auf dem Kopf oder der Schulter platzieren, den steinigen, steilen Weg zum Hostel hochtragen. Oben wird es dann zum Trinken, Kochen und Spuelen benutzt. Die Dusche wird direkt an Ort und Stelle genommen. Jeden morgen waschen sich zuerst die zwei Maedchen unten an der Pumpe, um dann die ungeduldig wartenden Jungs endlich dranzulassen! Wenn es noetig erscheint wird danach auch noch die Waesche gewaschen.

Nun zu den Schlafmoeglichkeiten. Die Jungen schlafen in einem grossen Raum, in dem auch der Fernseher steht und in dem die Kinder nachmittags lernen und spielen koennen, was sie aber eher und lieber im Freien, in der Natur, die sie umgibt, tun. Die Maedchen und die Lehrerin schlafen jedoch im gleichen Raum, in dem die Kinder tagsueber essen. Ausser diesen zwei etwas groesseren Raeumen und der Kueche, gibt es noch das 'office' -Zimmer, mit einem zur Ablage umfunktionierten Bett, einem
Schreibtisch, zwei schiefen Schraenken und einer schiefen Trennwand, hinter der sich das Hab und Gut der Lehrerin, Parvathamma, befindet. Sie ist seit acht Jahren Lehrerin, Koechin und Elternersatz gleichzeitig und ganz allein mit den Kindern. Dafuer bewundern wir sie schon sehr. Auf unsere Frage, ob sie sich nicht sehr alleine fuehlt, wenn die Kinder in der Schule sind, hat sie mit "Nein" geantwortet, was usn schon gewundert hat, da wir die Inder eher als Gesellschaftsliebende Menschen kennengelernt haben. Das beste Beispiel ist hier unsere Mentorin, die sich langweilt wenn sie alleine ist und nicht mit irgendwem reden kann.
Natuerlich bleibt Parvathamma nicht jeden Tag alleiner dort oben, es kommt oft jemand vorbei, aus den nahegelegenen Doerfern oder der Organisation, um zu sehen ob alles in Ordnung ist und sie selbst geht auch mal hinunter ins Dorf, zum Einkaufen oder nach der SHG zu sehen.

Waehrend unseres Besuches in Bhoothanahalli, haben wir endlich so eine SHG, self help group sehen duerfen. Abends um halb neun, im Mondenschein sind wir durch die Natur gelaufen, alleine mit Parvathamma, Shruthi, Onkar, einem der Jungen( zum Schutz!;)) und dem Wachhund des Hostels, Ramu.
Wir kamen uns ein bisschen vor wie in einer Hotelanlage, als wir diesen gewundenen Weg entlang liefen, der von riesigen Kakteen und Palmen umsaeumt war, links neben uns ein kleiner Bach, weiter hinten die riesigen Kokosnusspalmenwaelder und der grosse weisse Mond mit den Millionen von Sternen ueber uns. Diese romantische Stimmung verflog ganz schnell, als wir im Dorf ankamen und Ramu der Meinung war, sich mit den dort lebenden Streunern anlegen zu muessen. Shruthi und wir waren ziemlich steif vor Angst und haben es schliesslich doch noch geschafft uns an den Hunden vorbei weiterzuschleichen. Im Haus, in dem das SHG- meeting stattfinden sollte, trafen wir auf eine Gruppe aelterer Frauen und ein paar Maenner. Dies war die SHG.
Eine SHG, Selbst-Hilfe-Gruppe, gibt es fast in jedem Dorf Indiens. Dies sind Gruppen, zu denen sich einige Frauen zusammenschliessen um Kredite von der Bank zu bekommen, die sie dann in Land, Vieh oder andere Gueter investieren, die ihnen rentabel erscheinen. Jeden Woche zahlt jedes Mitglied eine bestimmte Summe in die Kasse ein, in diesem Fall 10,- Rupien( ca. 0,15 Euro), und jede Woche bringt ein anderes Mitglied das Geld auf die Bank. Wenn eines der Mitglieder Geld braucht, kann es die benoetigte Summe, mit voriger Absprache, abheben. Dieses ganze verfahren wird sorgfaeltig in mehreren Buechern festgehalten. Natuerlich uebernimmt eine der Frauen, die lesen uns schreiben koennen, die Buchfuehrung. In jeder SHG gibt es eine Praesidentin und eine Sekretaerin.
Nachdem wir all dies erfragt hatten, erbot sich uns die Moeglichkeit, den ganz normalen Ablauf so eines Meetings mitzubekommen, da Parvathamma noch bei der Buchfuehrung geholfen und kontrolliert habt. So haben wir eine hitzige Diskussion mitbekommen, wie die Frauen das Geld einsammeln und danach doppelt und dreifach nachzaehlen ehe sie es notieren. Der Abend in diesem Haus war sehr interessant, aber auch lang. Um elf Uhr sind wir zurueck ins Hostel gelaufen.

Am Tag darauf haben wir die Schule in Bhoothanahalli besucht. Wir wurden von den Lehrern und dem Schuldirektor sehr offen und fre
undlich empfangen. Nach ein paar Fragen und dem Mittagessen, zu dem wir von den Lehrern eingeladen wurden, durften wir eine Englischstunde miterleben. Der Lehrer hatte einige teaching materials vorbereitet und sich sehr bemueht, auch uns noch mal alles zu erklaeren was er gerade macht und doch waren wir sehr ueberrascht was eine Englischstunde fuer eine sechste Klasse beinhaltet und wie dieser Inhalt an die Kinder weitergegeben wird. Es wurden 5 verschiedene Themen oberflaechlich angeschnitten und wir haben uns gefragt ob dies eine regulaere Stunde war oder der Lehrer uns so viel wie moeglich aus dem Unterricht zeigen wollte.
Wir haben diese Schule mit dem guten Gefuehl verlassen, dass die Kinder hier etwas lernen und es einen geregelten Ablauf gibt.

Wir hoffen ihr freut euch ueber die beiden Posts, die jetzt so kurz hintereinander kamen. Wir koennten noch soo viel mehr schreiben, aber wir moechten die naechsten Tage auch noch etwas Anderes machen ;)

Viele Gruesse aus Chattanahalli, wo sich der 'Winter' abends immer bemerklicher macht,

Annika&Esra